Während Menschen an dem Corona-Virus sterben und die Intensiv-Stationen überlastet sind, präsentieren prominente deutsche Schauspieler mal kurz einen Einblick in ihre egomane Innenwelt. Und siehe da: Der künstlerische Elfenbeinturm von Liefers, Tukur und Co. steht mitten im verminten Gebiet von AfD und Querdenkern. Na, so was!
Mehr als 81.195 Menschen sind bei uns bisher an und mit Covid-19 gestorben. Morgen Früh werden es wieder ein paar hundert Männer und Frauen mehr sein, um die Partner und Kinder weinen und Freunde trauern. Zugleich ringen tausende Kranken auf Intensivstationen um ihr Leben und kämpfen zehntausende Ärzte und Pfleger seit mehr als einem Jahr aufopferungsvoll um das Leben von Corona-Patienten.
Über den Autor: Hugo Müller-Vogg
Dr. Hugo Müller-Vogg ist Journalist, Buch-Autor und ehemaliger Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).
ARD-Stars Tukur und Liefers schießen blindlinks gegen Medien und Politik
Nun gibt es gute Gründe, die jetzt von Bundestag und Bundesrat beschlossene „Notbremse“ mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit mancher Maßnahmen oder ihre Wirkung zu kritisch zu analysieren. Die Promi-Riege hält sich indes nicht mit sachlicher Kritik auf. Vielmehr triefen die Videos von ätzender Verachtung für die politische Klasse und dem implizierten Anspruch der Schauspieler, besser als Virologen und Epidemiologen zu wissen, was jetzt Not tut. Dazu zwei Kostproben.
- Tatort-Kommissar Tukur, appelliert an die Politik: „Schließen Sie ausnahmslos jede menschliche Wirkungsstätte und jeden Handelsplatz, nicht nur Theater, Cafés, Schulen, Fabriken, Buchhandlungen, Knopfläden, nein, auch alle Lebensmittelläden, Wochenmärkte und vor allem auch all die Supermärkte.“ Denn: „Sind wir erst am Leibe und nicht nur an der Seele verhungert und allesamt mausetot, entziehen wir auch dem Virus und seiner hinterhältigen Mutanten-Bagage die Lebensgrundlage."
- Ein anderer Tatortstar, Liefers, dankt allen Medien, „die seit über einem Jahr unermüdlich dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört: nämlich ganz, ganz oben, und dafür sorgen, dass kein unnötiger, kritischer Disput uns ablenken kann von der Zustimmung zu den sinnvollen und immer angemessenen Maßnahmen unserer Regierung.“
#allesdichtmachen: Wenigstens Heike Makatsch war es peinlich
Gute Schauspieler können etwas, was der normale Bürger nicht kann: in andere Rollen schlüpfen, andere Charaktere glaubwürdig verkörpern. Irgendwie scheinen diese 53 Damen und Herren bei ihrem Ausflug in die Politik sich Corona-Leugner, Querdenker und Verschwörungstheoretiker zum Vorbild genommen zu haben. Ihre Videos enthalten Botschaften, wie man sie von Demonstrationen kennt, deren Teilnehmer bewusst keine Masken tragen. Von der AfD jedenfalls kam prompt Beifall – und von den üblichen Verdächtigen am ganz rechten Rand ebenso.
Immerhin: Heike Makatsch war es peinlich, in welche Gesellschaft sie damit geraten war. Sie zog ihr Video zurück und „bereute zutiefst“, dass sie „rechten Demagogen in die Hände gespielt“ habe. Von den anderen 52 war eine ähnliche Einsicht nicht zu vernehmen. Zwar kann man verstehen, dass viele Schauspieler darunter leiden, seit mehr als einem Jahr keine Auftritte mehr zu haben. Wird der Blick auf die Pandemie und ihr Opfer jedoch allein vom eigenen Kontostand bestimmt, dann haben die 53 bei ihrer Video-Aktion sich für eine ganz traurige Rolle entschieden – die des zynischen, menschenverachtenden Ichlings. Was für ein schäbiges, beschämendes Theater!