Hinweis: Dietrich Brüggemann wurde vor dem Erscheinen dieses Textes nicht um eine Stellungnahme in Bezug auf seine Rolle bei der Aktion gebeten. Dadurch ist ein falscher Eindruck der Aktion und der daran beteiligten Personen entstanden. Wir bitten für diese Fehler, unangemessene Zuschreibungen und den daraus entstandenen Tonfall um Entschuldigung. Eine Stellungnahme von Dietrich Brüggemann finden Sie hier.
Auch wenn es anfangs wie eine dezentrale Bewegung aussah: #allesdichtmachen hatte einen Kopf. Und sie war professionell geplant. Das ergibt eine Spurensuche, eine Woche nachdem die Aktion online ging. Dabei tauchen immer neue Unstimmigkeiten auf.
„Ich entschuldige mich nicht!“ Mit brauner Kappe und gestreiftem Shirt ist der Berliner Regisseur Dietrich Brüggemann per Video ins Fernsehstudio zugeschaltet und erklärt die Kunstaktion #allesdichtmachen. Die Clips seien „Parodien auf die Art der Kommunikation der Bundesregierung“.
Weder könne er etwaige Missverständnisse nachvollziehen: „Es ist vollkommen klar, was wir meinen.“ Noch will er auf Nachfrage Fehler eingestehen. Schließlich sei es eine Gruppenaktion gewesen, darum wolle er nicht für den Rest sprechen. Doch so ganz stimmt das nicht. Wie vieles an seiner Version.
Am vergangenen Donnerstag um 18 Uhr ging die Internet-Aktion #allesdichtmachen online, eine als Satire verkappte Kritik an den Corona-Schutzmaßnahmen der Bundesregierung. 52 Schauspieler:innen hatten teils in hübsch ausgeleuchteten Altbauwohnungen Videos gefilmt, in denen sie ironisch bis polemisch die staatliche Corona-Politik kommentierten.
Brüggemann spricht von einem „faschistoiden Shitstorm“
Seitdem beschäftigt diese „Kunstaktion“ der deutschen Film- und Fernsehprominenz die Öffentlichkeit. Kulturstaatsministerin Monika Grütters, CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sahen sich zu Statements genötigt. Gesundheitsminister Jens Spahn traf sich sogar zum Streitgespräch mit dem Tatort-Star Jan Josef Liefers.
Alle durften zu #allesdichtmachen ihre Meinung äußern. Diejenigen, die fanden, dass die verharmlosende Zuspitzung einer Krise, die inzwischen über 80.000 Deutsche das Leben gekostet hat, mit den Mitteln der Ironie „zynisch“ und „menschenverachtend“ sei. Die, die fanden, dass die Kritik der Kreativen an den inkonsequenten Corona-Maßnahmen ihre Berechtigung habe. Es gab auch Beifall aus der AfD und der Querdenker-Szene. Wie das in einer pluralistischen Gesellschaft eben so ist.
Diese Einschätzung der aktuellen Debattenkultur teilen die Akteure hinter #allesdichtmachen jedoch nicht. Sie fühlen sich mundtot gemacht von einer von Politik und Wissenschaft auf Linie gebrachten Medienöffentlichkeit. Als Beleg für diese Behauptung dient der „faschistoide Shitstorm“, der prompt auf die Videos folgte.
So beschrieb Dietrich Brüggemann die Reaktionen in einer pamphlethaften Tirade auf Twitter. Da war von einer ironischen Distanz plötzlich nichts mehr geblieben. Die auffällige Diskrepanz in der Tonalität von Video und Tweets legen die Vermutung nahe, dass Brüggemann mit der Kunstaktion sehr kalkuliert zwei unterschiedliche Öffentlichkeiten adressiert.
Richtige Argumente von "falscher Seite“
Die offiziöse, in Wortwahl und Haltung moderate Version findet sich auf der Webseite. Anstelle der Videos ist dort seit einigen Tagen ein Statement zu finden, das sich an einer rhetorisch höchst akrobatischen Übung versucht: zurückrudern und gleichzeitig in die Offensive gehen. Man verbitte sich, so die Verfasser:innen des Schreibens, in eine Ecke mit „Rechten, Verschwörungstheoretikern und Reichsbürgern“ gestellt zu werden.
Dass „die falsche Seite“ dieselben Argumente vorbringt, zeige allenfalls, „daß (sic!) der Diskurs in eine Schieflage geraten ist“. Es gehe um die Art, „wie Staat und Bürger interagieren“. Gleichzeitig wird in Robin-Hood-Manier betont, dass man im Namen der „Verängstigten, Verunsicherten und Eingeschüchterten“ spreche, „die verstummt sind”.
Nun ist die Kritik an der deutschen Corona-Politik keine Minderheitenmeinung. Die Maßnahmen werden quer durch die Medienlandschaft kritisch kommentiert. Einigen gehen sie nicht weit genug, andere sehen in ihnen eine Einschränkung demokratischer Grundrechte; weitgehend herrscht aber Konsens darin, dass Maßnahmen nötig sind, um die Pandemie unter Kontrolle zu kriegen und den Lockdown zu beenden.
Was also ist dann der Diskursraum, den Brüggemann mit der Aktion am liebsten „sprengen“ möchte, wie er am Samstag im Interview mit dem Sender N-TV martialisch erklärte?
Kleine Gruppe von Aktivisten mit undurchsichtiger Agenda
Brüggemann hat sich von den #allesdichtmachen-Initiatoren am deutlichsten zur Kritik an der Kampagne geäußert. Auch der Schauspieler Jan Josef Liefers gab sich als einer der Macher zu erkennen.
Sein Auftritt in der Talkshow „3 nach 9“ am Freitag ließ keinen Zweifel, dass er weiter hinter der Aktion steht. Anders als „Tatort“-Kolleg:innen wie Ulrike Folkerts, Richy Müller, Martin Brambach und Meret Becker, die ihre Videos inzwischen zurückgezogen haben. Beziehungsweise vor einem „Shitstorm“ eingeknickt sind, wie auf der Website behauptet wird.
Auffällig ist die Zahl der TV-Kommissar:innen, die bei #allesdichtmachen dabei sind. Aber kein Zufall. Hinter der Kampagne stecken zwei gestandene „Tatort“-Regisseure, neben Brüggemann (drei Episoden) auch Thomas Bohn, der in seinem Portfolio 20 Episoden vorzuweisen hat, davon neun mit Ulrike Folkerts.
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Die Dichte an „Tatort“-Ermittlern lässt also weniger auf ein Querdenker-Problem bei den Öffentlich-Rechtlichen schließen. Es legt vielmehr den Verdacht nahe, dass Brüggemann und Bohn im erweiterten Bekanntenkreis Mitstreiter:innen rekrutierten. 14 Beteiligte haben in der Vergangenheit mit Brüggemann gearbeitet.
Die als repräsentatives Statement aus der deutschen Fernsehöffentlichkeit angekündigte Kunstaktion entpuppt sich bei genauerem Hinsehen eher als die Kampagne einer kleinen Gruppe – mit undurchsichtiger Agenda.
Intransparenz von Allesdichtmachen
In „3 nach 9“ prangerte Liefers die „Intransparenz“ der Corona-Politik an. Da überrascht es, wie klandestin gleichzeitig die Strukturen hinter #allesdichtmachen sind. Laut Webseite zeichnet der Filmproduzent Bernd Katzmarczyk alias Bernd Wunder als Geschäftsführer verantwortlich. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass Katzmarczyk über die Kontakte für solch eine Aktion verfügt.
Thomas Bohn behauptet im Interview mit der „Welt“, für die er auch als Autor tätig ist, er sei von einem „Regie-Kollegen“ angesprochen worden. Hierbei kann es sich nur um Brüggemann handeln. Weil ihm die Konzepte gefielen, habe Bohn selbst Schauspieler kontaktiert. Im Interview sagt er auch, dass er über die Beteiligung von Katzmarczyk nicht informiert gewesen sei.
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Katzmarczyk ist im vergangenen Sommer mit Querdenker-Sprüchen aufgefallen, auf seinem inzwischen privaten Instagram-Account verglich er das Virus mit einer Grippe. Er sprach von „Panikmache“ und nannte Befürworter der Maßnahmen „Coronazis“. Mittlerweile behauptet er, sich von seinen früheren Aussagen zu distanzieren.
Doch darüber, wie Katzmarczyk zu dem Projekt hinzugestoßen ist, hüllen sich die Beteiligten in Schweigen. Die Frage, ob sich Bohn, der nach eigener Aussage die Gefährlichkeit des Virus nicht verharmlost, von Brüggemann hintergangen fühle, möchte er nicht beantworten. Aufgrund der kritischen Berichterstattung über #allesdichtmachen, so Bohn, will er mit dem Tagesspiegel nicht reden. Auch Brüggemann reagierte auf Nachfragen nicht. So viel zur Meinungsfreiheit.
Warum um die Autorenschaft von #allesdichtmachen so ein Geheimnis gemacht wird, bleibt angesichts der Selbstgerechtigkeit, mit der einzelne Akteure in der Öffentlichkeit auftreten, rätselhaft.
Inzwischen dürfte aber auch klar sein, dass #allesdichtmachen für ein „dezentrales Gruppenprojekt“ von Schauspielern, wie Brüggemann betont, zu gut orchestriert ist. Auch seine Behauptung, er selbst sei zu dem Projekt auch nur dazugestoßen, ist äußerst zweifelhaft.
Die Aktion war so minutiös geplant wie ein "Tatort"-Dreh
Ein Schauspieler, der ebenfalls von Brüggemann angesprochen worden war und namentlich nicht genannt werden möchte, zeichnet ein völlig anderes Bild von der Entstehungsgeschichte.
Im Gespräch mit dem Tagesspiegel berichtet er, dass Brüggemann und die Regisseurin Jeana Paraschiva federführend bei der Durchführung gewesen seien. Demnach verschickten sie via Email eine Projektskizze, mit der sie die geplante Aktion erklärten. Im Anhang der Mail fand sich ein Dokument mit Texten, die wirkten, als seien sie größtenteils von Brüggemann verfasst worden. Der Angeschriebene konnte sich aus diesem Konglomerat ein Statement aussuchen, das er später vor der Kamera vortragen würde.
Ähnliches berichten die Schauspieler Richy Müller und Kida Ramadan. Auch ein Plan mit Drehorten und Zeitslots lag bereits zu diesem Zeitpunkt vor. An einem Wochenende im April sollten die Clips aufgenommen werden. Die Aktion #allesdichtmachen war so minutiös geplant wie eine „Tatort“-Produktion.
„Aufrechter Linker“ auf Abwegen
Eine eigene Themensetzung, so der Schauspieler, sei dabei offensichtlich aber nicht erwünscht gewesen, die Stoßrichtung war vorgegeben: die Lockdown-Maßnahmen der Regierung, das „Narrativ“ von Politik und Wissenschaft mit einer alternativen Erzählung „umzustoßen“, wie es Brüggemann im „Welt“-Interview ausdrückt. Hinter #allesdichtmachen steckt somit eine klare politische Agenda; die vielen Stimmen gehen vermutlich auf einen einzigen Autor zurück.
Viele der Beteiligten hätten das Ausmaß der Aktion nicht realisiert, erzählt der Schauspieler. Er habe Brüggemann immer als „aufrechten Linken“ wahrgenommen, der sich aber in den vergangenen Monaten der Pandemie „in dieses Thema absolut reingesteigert“ habe.
Auf Twitter schreibt der Regisseur: „An einer Medienelite, die den immer härteren Lockdown fordert und jeden Kritiker mit Verweis auf volle Intensivstationen zum Abschuss freigibt, gibt es jede Menge zu kritisieren.“
Die Handschrift Brüggemanns ist bei #allesdichtmachen nicht nur an einzelnen Äußerungen zu erkennen. In den Einträgen seines Blogs „D-Trick“ benutzt er etwa, wie im Online-Statement ebenfalls vereinzelt zu beobachten, das „ß“ statt „ss“. Am deutlichsten aber verweist der Humor auf Brüggemann.
Seine Neonazi-Komödie „Heil“ von 2015 löst vor dem Hintergrund von #allesdichtmachen viele Déjà-vu-Momente aus: in seinem Blick auf die mediale Kommunikation, aber auch in der diffusen politischen Haltung.
Angriff auf die gesellschaftliche Kommunikation
„Die Medien“ sind, ganz pauschal, schon länger Brüggemanns Zielscheibe. „Heil" ist ein Gleichmacher, der Film macht sich vermeintlich paritätisch über alle lustig: Neonazis, Antifa, Behörden, Medien.
Am Ende weiß man nicht mehr, wo vorne und hinten, rechts und links ist. Es geht um einen Angriff auf Sinn und Vernunft, auf die Bedingungen, die ein Miteinander ermöglichen: Wenn Wahrheit und Lüge austauschbar sind, wird die Verständigung chaotisch.
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Dass die Angriffsfläche seiner Witze die Kommunikation selbst ist, führt zurück zu seiner Aussage, dass #allesdichtmachen als „Parodie“ auf eine bestimmte „Art der Kommunikation“ gemeint sei. Die Medienkritik in „Heil“, von Brüggemann in Talkshow-Szenen überzeichnet, rekonstruiert die Thread-artigen Gesprächsverläufe, die er bereits vor sechs Jahren in der Netzkommunikation erkannt hat, nämlich „wie die Leute im Netz miteinander umspringen“.
Das Destruktive daran ist, dass Brüggemann die spezifischen Dynamiken von digitaler Kommunikation auf Twitter, Facebook oder Instagram in seinem Film auf den „analogen“ Austausch überträgt. Brüggemann verfilmt Facebook-Threads nicht, um vorzuführen, wie gefährlich diese Art von Sprechen ist, sondern um damit auch die Grenze zwischen „Wahr und Falsch“ zu verwischen.
Verbindungen ins Querdenker-Milieu
So gesehen kann man die Ironie in #allesdichtmachen tatsächlich als Angriff auf die gesellschaftliche Kommunikation bezeichnen. In Brüggemanns Worten: „das Narrativ umstoßen“, „verengte Diskursräume sprengen“. Wie die freigewordenen Räume dann abgesteckt und besetzt werden, haben die vergangenen Tage gezeigt: mit dem lange schon gehandelten „Framing“ und den diskursiven Spins von rechts.
Statt dass die Macher hinter #allesdichtmachen Verantwortung übernehmen für die Spaltung der Gesellschaft, an der sie mitwirken, springt die Debatte seit Anfang dieser Woche in einem Diskursraum, der nun von rhetorischen Vogelscheuchen wie „Political Correctness“ oder „Cancel Culture“ abgesteckt wird, im Dreieck.
Da darf dann ein Jan Josef Liefers in der aktuellen „Zeit“ auch noch mal sagen, dass er für sein Video zu DDR-Zeiten ins Gefängnis gewandert wäre. „DDR 2.0“. Doch solche Vergleiche verengen die Diskussion eben erst recht: Rechte Kulturkampffloskeln bestimmen, wie eine Gesellschaft sich verständigt.
In einem ähnlichen Tenor tönt Brüggemanns Twitter-Account. Am vergangenen Sonntag verbreitete der Filmemacher dort einen Link, der zur Homepage der sogenannten „Freien Linken“ führt. Und er staunte: „Man wundert sich ja über die wenigen Stimmen von links zur Lockdown-Politik, aber einige gibt es.“ Die Gruppierung ist unmittelbar mit den Corona-Protesten verbunden, aber alles andere als links.
Regelmäßig nimmt ein kleiner Block an „Querdenken“-Demonstrationen teil. Im Telegram-Kanal äußern sich Mitglieder teilweise antisemitisch, gleichzeitig werden Beiträge gepostet, die aus dem Umfeld des Hallenser Neonazis Sven Liebich stammen.
"Steckt euch eure Maskenpflicht in den Arsch"
Brüggemann liegt auch falsch, wenn er sich über den fehlenden linken Protest an den Corona-Maßnahmen wundert. Bereits Ende 2020 gab es in Berlin mehrere Demonstrationen der linken Szene, die sich für einen „solidarischen Lockdown“ einsetzten. In Reden wurde sich von „Querdenkern“ und „Maskenverweigerern“ distanziert. Die „Freie Linke“ gehört allerdings nicht in dieses Spektrum. Antifa-Gruppen kritisieren unter anderem die fehlende Abgrenzung nach rechts.
Die „Freie Linke“ ist nicht die einzige Schnittstelle Brüggemanns mit der Querdenker-Bewegung. Bis vor kurzem fand sich auf Soundcloud noch ein Song mit den Zeilen „Steckt euch euren Polizeistaat in den Arsch, steckt euch eure Maskenpflicht in den Arsch …“– inzwischen ist er gelöscht.
Das Stück stammt von Brüggemann, der unter dem Pseudonym Noisy Nancy produziert. Eine ähnliche Version gehört zu den Gassenhauern der verschwörungsideologischen Gruppe „Freedom Parade“, die regelmäßig auf „Querdenken“-Demos gespielt wird.
Natürlich hat Brüggemann keine Kontrolle darüber, wer seine Songs covert. Aber es passt zu seiner verquasten Polemik, in der linke und rechte Positionen verschwimmen. Eine andere dubiose Figur in Brüggemanns Umfeld ist der Arzt und Publizist Paul Brandenburg. Nicht nur firmiert das Impressum ihrer beiden Webseiten unter demselben Postfach, wie eine Recherche auf publikum.net ergab, Brüggemann gehört auch zu den Unterzeichnern eines Pamphlets der Initiative „1 bis 19“, der Brandenburg vorsitzt.
In „1 bis 19“ kommen Menschen mit ganz unterschiedlichem gesellschaftlichen Hintergrund zusammen, die die Rechtmäßigkeit der Corona-Maßnahmen infrage stellen. Auch in seinem Telegram-Kanal zeigt sich Brandenburgs Nähe zu Querdenkern. Er leugnet die Gefahr des Virus, bezeichnet die Maßnahmen als Weg in einen neuen „Totalitarismus“ und verbreitet einen Aufruf zu einer Corona-Demo vor dem Bundestag.
Krudes im seriösen Corona-Diskurs
Die Grenze von performativer Provokation und politischer Haltung ist bei Brüggemann, wie in seinen Filmen, schwierig zu entschlüsseln. In seiner Kritik an den Corona-Maßnahmen hat er wiederholt den Arzt Matthias Schrappe als Kronzeugen für eine verfehlte Corona-Politik zitiert. Schrappe wird auch in Querdenker-Kreisen neben Experten wie Klaus Stöhr oder Jonas Schmidt-Chanasit regelmäßig als Befürworter für eine No-Lockdown-Linie vereinnahmt – obwohl dieser kein Virologe ist. Doch Wissenschaft steht bei Brüggemann nicht hoch im Kurs.
Das gilt auch für die österreichische Darstellerin Nina Proll, die ebenfalls ein Video für #allesdichtmachen produziert hat. Proll war bereits als Gast beim sogenannten „Corona-Ausschuss“ der Anwälte Reiner Füllmich und Viviane Fischer geladen, die in ihren Sitzungen regelmäßig Unwahrheiten zur Corona-Pandemie verbreiten und zudem der „Querdenken“-nahen Partei „Die Basis“ angehören.
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Dass dieses krude Gedankengut dank der Aktion #allesdichtmachen nun von vorgeblich engagierten Prominenten in den seriösen Diskurs über die Corona-Politik getragen wurde, ist ein zweifelhafter Erfolg Brüggemanns. Um Lösungen ist es dabei nie gegangen, auch nicht um eine ernsthafte Auseinandersetzung.
Schon anlässlich von „Heil“ sagte Brüggemann über seine Strategie: „Man kann sich auf gar keine Seite schlagen, sondern einen Schritt zurücktreten und sozusagen meditativ den Diskurs betrachten, der kein Wahr und kein Falsch kennt, sondern wo alle nur fortwährend fröhlich aufeinander eindreschen. Dieser Standpunkt ist mir eigentlich sogar von allen der liebste.“ Auf Twitter verweist Brüggemann darauf, dass #allesdichtmachen großen Rückhalt in der Bevölkerung habe: „Und zwar ein paar Millionen.“
Korrektur: In einer früheren Version des Textes wurden Klaus Stöhr und Jonas Schmidt-Chanasit fälschlicherweise als "sogenannte" Experten bezeichnet. Beide sind anerkannte Virologen, die von Corona-Leugnern als Experten benutzt werden. Fürsprecher einer „Durchseuchung" sind sie nicht.
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